Wieso heißt unser Gymnasium eigentlich „Kronwerk“?
„Ist doch ganz einfach“, sagen einige. „Sie liegt doch im Rendsburger Stadtteil Kronwerk.“
„Ja, gut“, entgegnet daraufhin ein kluger Sextaner. „Aber woher hat denn der Stadtteil seinen Namen? Gibt es hier etwa viele Kronen? Oder Werke?“
„Nö, das nicht, aber …“. Und hier müssen wahrscheinlich die meisten passen. Wieso heißt das Kronwerk denn nun Kronwerk?
Um das zu beantworten, muss man gut 350 Jahre zurückgehen, genauer gesagt in das Jahr 1669. Damals gehörte Rendsburg noch zum dänischen Gesamtstaat. Der dänische König hatte erkannt, dass diese kleine Stadt, die an der Grenze zwischen seinen Herzogtümern Schleswig und Holstein am Flüsschen Eider lag, nicht ausreichend befestigt war: Eine neue Befestigung musste her, und zwar eine starke, die den Ansprüchen der Zeit genügte und es Feinden unmöglich machen sollte, von Süden her Rendsburg zu erobern und dann weiter nach Dänemark vorzudringen.
1669 begannen die Bauarbeiten für diese Befestigung, die um 1700 beendet waren. Um den Stadtkern vor dem Beschuss mit feindlicher Artillerie zu schützen, wurden im Norden und im Süden der Stadt ausgedehnte Festungsgürtel, sogenannte Bastionen, mit Wällen, Mauern und freien Flächen errichtet, von denen aus man die Angreifer abwehren konnte. Solche Festungsgürtel wurden zu der Zeit in ganz Europa um kleinere und größere Städte gelegt.
Im Süden erhielt die Rendsburger Verteidigungsanlage den Namen Neuwerk, im Norden wurde sie Kronwerk genannt, weil dort die zackigen Vorsprünge an eine Krone erinnerten. Um die Festung im Norden zu bauen, wurden dort zwei Dörfer komplett abgerissen und ihre Bewohner in Rendsburg und Umgebung neu angesiedelt. Die Bauern, die dort lebten, hatten keine Wahl, sie mussten tun, was der König ihnen befahl.
Vor den Werken wurde ein breiter Graben gezogen, auf den Wällen befanden sich auf zwei Etagen Kanonen, die das davor liegende Gelände beschießen konnten. Die keilförmigen Bastionen hatten bombensichere Magazine für Proviant und Munition. Das Kronwerk blieb, solange es Festung war, unbesiedelt, es gab hier also zunächst – anders als im Neuwerk – keine Häuser.
Etwa 150 Jahre gab es den Festungsgürtel um Rendsburg, bis er im 19. Jahrhundert militärisch unbrauchbar geworden war – die Kriegstechnik war inzwischen so weit fortgeschritten, dass feindliche Truppen mit ihren Geschützen die Festung Rendsburg ohne größere Probleme hätten einnehmen können. Außerdem hatte sich Rendsburg während der revolutionären Ereignisse in den Jahren zwischen 1848 und 1851 aus Sicht des dänischen Königs als unzuverlässig erwiesen. In diesen Jahren haben sich die Schleswig-Holsteiner gegenüber dem dänischen König erhoben und letztlich erfolglos versucht, die dänische Herrschaft abzuschütteln und ein selbständiges Schleswig-Holstein zu gründen. Rendsburg war in dieser Zeit vorübergehend Sitz der revolutionären Schleswig-Holsteinischen Regierung. Doch die Dänen konnten diese Erhebung niederschlagen und beschlossen 1852, den Rendsburger Festungsgürtel abzubauen.
Die Wälle wurden abgetragen, die Erde mit Schubkarren weggefahren, die Mauern abgebrochen, ihre Steine und Balken verkauft. Von dem gesamten Festungsgürtel, der Rendsburg einst umgab, ist heute (abgesehen von einem kleinen Mauerrest in der Nähe des Bahnhofs) nichts mehr zu sehen. Nur aus alten Zeichnungen und Bildern wissen wir, wie er ausgesehen hat.
Das Kronwerk blieb zunächst ein freies Feld, bis man 1890 begann (Rendsburg und ganz Schleswig-Holstein gehörten seit 1866 zu Preußen, seit 1871 zum Deutschen Kaiserreich), das Gelände mit Häusern und Straßen zu bebauen. Seitdem ist das Kronwerk ein Rendsburger Stadtteil.
1974 wurde unsere Schule gegründet: Im Stadtteil Kronwerk war noch viel Platz, hier konnte ein großes Gymnasium mit einer stattlichen Außenfläche seine Arbeit aufnehmen. Und das Gymnasium erhielt den Namen des Stadtteils, den es bis heute behalten hat: Gymnasium Kronwerk (und nicht, wie man immer wieder hört, Kronwerk-Gymnasium!). Mit ihrem Namen und ihrem Logo erinnert unsere Schule also nicht nur an den Stadtteil, in dem sie liegt, sondern auch an die Vergangenheit Rendsburgs als dänische Festungsstadt.
Frank Schwieger